Autor: Jean Anouilh
Genre: Drama
Regie: Timo Pfanzer
Inhalt
Strickend, plaudernd, kartenspielend sitzen die Personen des Stückes auf der Bühne, während der Prologsprecher sie den Zuschauern vorstellt. Sie sind Menschen der heutigen Zeit: Sie sprechen die Alltagssprache des 20. Jahrhunderts, sie tragen moderne Kleider; Begriffe wie »Zigaretten, Autos, Bar« tauchen im Gespräch auf, Kreon philosophiert in Hemdsärmeln über das Leben. Trotz dieser äußeren Modernismen lehnt sich das Drama formal an die antike Tragödie an. Wie dort wird die Einheit der Zeit und des Ortes gewahrt. Die szenische Gestaltung ist auf Andeutungen beschränkt, die Einteilung in Akte entfällt, und nur der Sprecher, dem Anouilh die Rolle des Chors überträgt, unterstreicht die Zäsuren des Handlungsverlaufs.
In einer götterlosen Welt begegnen sich zwei Menschen, die das alleinige Gesetz ihres Handelns aus ihrer persönlichen Haltung zum Leben beziehen: ein Kreon, der die Bejahung, eine Antigone, die die Verneinung des Lebens bis zu letzter Konsequenz treibt.
Das Leben, das Kreon trotz allem liebt, bedeutet für ihn nicht mehr als eine bloße menschliche Vereinbarung, die der notwendigen Ordnung, der Verringerung der Absurdität, dem "kleinen Glück" zu dienen hat. Aber mit seiner letzten Weisheit, dass das Leben "vielleicht trotz allem nur das Glück" sei, gibt Kreon Antigone gerade das entscheidende Argument für ihre Absage an dieses Leben in die Hand. In dem großartigen Dialog, der den ganzen Mittelteil des Dramas einnimmt, treten beide Haltungen als unversöhnlicher Gegensatz hervor. Wenn Antigone, nachdem sie ihren Bruder Polyneikes beerdigt hat, von Kreon nun den Tod verlangt, so erhebt sie damit zugleich Anspruch auf die Anerkennung ihrer Freiheit, das Leben zu verneinen. Wenn Kreon ihren Tod nicht will, so nicht deshalb, weil Antigone seine Nichte und die Verlobte seines Sohnes Hämon ist, sondern weil ihr Neinsagen sowohl die Staatsräson als auch seine persönliche Bejahung dieses Lebens in Frage stellt. Antigone aber lehnt den Kompromiss ab, der zur Lüge, zum Verrat, ja vielleicht sogar zum Mord verpflichtet, sie lehnt vor allem das "kleine Glück" ab, das den Kompromiss belohnt und ihr Schicksal wird unausweichlich.