27. Bad Camberger Festspiele
Autor: William Shakespeare
Bearbeitung: Timo Pfanzer
Genre: Komödie
Regie: Timo Pfanzer
Inhalt
Die 27. Bad Camberger Festspiele rund um William Shakespeare (1564-1616) warteten gleich mit zwei markanten Jahrestagen auf. Auf der einen Seite jährte sich in 2016 der 400. Todestag des englischen Dramatikers, auf der anderen Seite gab es ein weiteres kleines Jubiläum: genau 20 Jahre vorher spielten wir unseren letzten Shakespeare auf der Freilichtbühne im Amthof. Seinerzeit war es der „Sommernachtstraum“ in der Inszenierung von Walter Mulitze. 2016 sind es „Die lustigen Weiber von Windsor“ unter der Regie von Timo Pfanzer. Beide Stücke gelten als Parallelwerke. Im „Sommernachtstraum“ thematisiert der Dichter die Verwirrungen junger und gestandener Liebender in phantasievoller Farbenpracht unter Durchmischung von Traum und Realität im Menschen- und Feenreich, in den „Weibern“ hingegen will der stets klamme, aber doch draufgängerisch-erfinderische Glücksritter Falstaff sich die Liebe zunutze machen, um die Taschen seiner Opfer gehörig zu plündern, wobei die Feen in diesem Treiben im letzten Akt auch ihren Auftritt haben – nur nicht ganz zu Falstaffs Wohlgefallen. Beide Komödien gehören zu den phantasiereichsten und durchtriebensten Komödien des Stratfordianers und mit letzterer hoffen wir Sie dieses Jahr im Amthof, besonders gut unterhalten zu können.
„Die lustigen Weiber von Windsor“ (Originaltitel: „The Merry Wives of Windsor”) handelt von dem dicken und sich selbst überschätzenden Ritter Sir John Falstaff, der mit allerlei Tricks und Winkelzügen versucht, gleich zwei Frauen, Mrs Ford und Mrs Page, zu einem Stelldichein zu überreden. Neben der sexuellen Konnotation hat er es gleichsam, als notorischer Pleitier und Lebemann, auf das Geld von deren Ehemännern abgesehen, von denen der eine, Mr Ford, übertrieben eifersüchtig ist und der andere, Mr Page, den Kopf einzig mit der Verheiratung seiner Tochter voll hat. Dumm nur, daß Falstaffs Wirkung auf Frauen genauso leer ist, wie seine Geldbörse. Falstaff gleicht eher einem Weinfaß – einem alten Weinfaß wohlgemerkt, was ihn aber nicht davon abhält, hinter jedem Weiberrock herzulaufen. Demgemäß hat er sich im Gasthaus „Zum Hosenbande“ einquartiert, dessen Wirtin ihn mit Witz und List beherbergt. Es verwundert auch nicht sonderlich, wenn er als persönliche Entourage die Scherginnen Bardolphia, Pistola und Nyma um sich gesellt, die mit ihrem ganz eigenen Humor ähnlich durchtrieben sind wie er selbst. Den Frauen Page und Ford wiederum ist er ein Dorn im Auge und so lassen sie ihn im Lauf der Handlung von einer peinlichen Falle in die nächste laufen, sodaß man schon fast Mitleid mit dem armen Kerl bekommen könnte und es bis zuletzt offenbleibt, wie der saubere Herr Ritter wohl enden wird. Ergänzt wird die Betrachtung auf die menschliche Liebestollheit und ihren Begleiterscheinungen noch mit der Nebenhandlung um die eigensinnig-emanzipierte Miss Anne Page, die gleich von zwei fragwürdigen Bewerbern umkreist wird: dem cholerischen französischen Arzt Dr. Cajus und dem weltfremden jungen Nerd Slender, der kräftig von seiner Tante, Friedensrichterin Shallow zu dem Unternehmen getrieben wird. Das Stück spielt mit den Geschlechterrollen und den Beziehungen zwischen Frauen und Männern und nimmt diese, wo es nur geht, auf’s Korn. Das Band zwischen den Handlungen wird von der Kupplerin Mrs Quickley gewebt, die zwischen allen Ebenen versucht, mehr als nur Diener eines Herrn zu sein und ihren Profit zu maximieren, was aber nicht immer glücklich ist und gar in einem Duell zwischen Cajus und dem sprachgestörten Pastor Evans zu enden droht. Ebenso zwischen den Ebenen steht der Allround-Diener Peter Simple, der nicht nur allen Herren, sondern auch der Inszenierung bei all ihren überraschenden Bühnenbildverwandlungen diente. Also: viel los auf Windsors Gassen!
Die „lustigen Weiber“ sind eine sehr moderne Komödie, die uns alle irgendwie, selbst heute noch, den Spiegel vorhält. Der Liebe als überidealisierter Emotion wird der Mißbrauch durch Ausnutzung von vermeintlichen Gefühlen entgegengestellt, wenn gleich dieser Mißbrauch in der Lächerlichkeit seiner ausführenden Figur scheitern muß und den dahinterliegenden Ernst in Komödie wandelt. Komödie in feinster shakespear‘scher Art. In diesem Sinne ist Pfanzers Inszenierung weit entfernt von jedweder Puffärmel-Inszenierung und kommt zeitgemäß daher, ohne den Spirit Shakespeares zu verraten. Durch entsprechende Reduzierung des Personals und des Bühnenbildes werden die Schauspieler auf sich selbst zurückgeworfen. Mimik, Gestik und Sprachwitz rücken in den Vordergrund, wenngleich die drei scheinbar leeren Bühnenebenen so manche Überraschung bereithielten.