15. Bad Camberger Festspiele

Autor: Timo Pfanzer
Genre: Heimatstück (Ur-Aufführung)
Regie: Sigrid Schweitzer


Inhalt

Camberg im 14. Jahrhundert. Es ist eine Zeit des Aufschwungs. Die große Pestepidemie der 40er Jahre wurde von den Cambergern relativ unbeschadet überstanden und die Städte im allgemeinen standen am Anfang ihres kometenhaften Aufstiegs. Das Mittelalter mit seiner ausgeprägten Hof- und Ritterkultur neigte sich seinem Ende zu. Und genau in diesem Spannungsfeld der sich auflösenden und wandelnden Systeme setzt das Stück "Die Atzeln" ein. Es behandelt den (wahrscheinlichen) Raubritterüberfall auf die prosperierende Stadt im Jahre 1355/56. In der 250 Jahre später erschienenen Chronik des Johannes Mechtel heißt es "die von Walsdorf", was allerdings nur eine Richtungsangabe zu sein scheint, eben daß diese Raubritter aus der Richtung Walsdorf gekommen sein sollen. Walsdorf selbst kommt aber als Herkunftsort nicht in Frage, da es zu diesem Zeitpunkt ein Kloster war. Es gibt unter Historikern die Vermutung, daß die Raubritter aus Wallrabenstein stammen könnten, dieses ist aber historisch nicht zu belegen. Nun, die Ritter in unserem Stück kommen - ganz neutral - aus dem Rheingau. Eine zweite historische Abweichung ergibt sich aus spieltechnischen Gründen: Der eigentliche Überfall fand im Winter "uff konig abend", sprich Dreikönigsabend statt. Unser Stück spielt dagegen im Sommer, da wir es unseren Darstellern nicht zumuten wollten, in Pelz und Schal bei hochsommerlichen Temperaturen zu spielen. Zumal eine Freilichtbühne auch nicht der rechte Platz für ein Winterstück ist. Das Stück stellt einen Versuch dar, eine vergangene Welt wieder greifbar werden zu lassen. Eine Welt, in der sich gerade ein neues Zeitalter zu etablieren beginnt. Die Ritter sind nicht mehr das, was sie einst im Hochmittelalter waren. Neue Kriegstechniken und "unritterliche" Schlachttaktiken - besonders durch die sich in dieser Zeit formierenden Bauernheere - nahmen der Ritterschaft ihre einzigartige militärische Bedeutung. Und zu all diesem drängten sich noch die Städte in den Vordergrund. Das bäuerlich geprägte Territorium ritterlicher Landesherren wurde zum Auslaufmodell. Die Bauern drängten in die Städte, wo der Lebensstandard für den einzelnen weitaus höher war, als im System des Frondienstes bei einem Ritterherren. Es entstand so eine Zeit des Wandels und neuer Chancen, aber auch der Gewalt durch die Verlierer der neuen Epoche. Angereichert ist dieser historische Hintergrund im Stück mit den Nöten und Freuden der einfachen Leute aus dem städtischen Leben. Mit Liebe und Intrigen, Humor und den kleinen und großen Sorgen der Menschen jener Tage. Geschichten aus einer kleinen Stadt, die nur ein paar Häuschen umfaßte und noch nicht mit Türmen und Mauern umgeben war, sondern nur mit einem Wall mit hoher Hecke - dem "Gebück" - in der die Atzeln zu Scharen nisteten. Eine frei erfundene Handlung windet sich um den historischen Kern des Stückes und läßt die Vergangenheit wieder vor unser aller Augen aufleuchten - sei es beim mittelalterlichen Markttreiben, an der Tafel des Schultheiß' oder während der Schwertkampfszenen im Schlachtgetümmel des nächtlichen Überfalles.

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