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24. Bad Camberger Festspiele

Autor: Gerold Theobalt (nach dem Roman von Giovannino Guareschi)

Genre: Komödie
Regie: Timo Pfanzer


Inhalt

Zu den Festspielen 2014 entführten wir unser Publikum jenseits über die Alpen: In einem kleinen italienischen Dorf in der Emilia-Romagna wird der Bürgermeister gewählt: Der örtliche Kommunistenführer Guiseppe "Peppone" Botazzi geht als Sieger aus der Wahl hervor. Dieser hatte mit Don Camillo, dem resoluten Priester der Gemeinde, im Ersten Weltkrieg gedient und beide kämpften während der Diktatur Mussolinis als Partisanen gegen die Faschisten. Die gemeinsamen Kriegs- und Widerstandserfahrungen verbindet die beiden Protagonisten, genauso wie ihre stiernackige Dickköpfigkeit, die zu andauernden Streitereien zwischen "kirchlicher und weltlicher Macht" führt. Und nicht nur auf der verbalen Ebene fliegen die Fetzen zwischen den beiden Kontrahenten, sondern auch die Fäuste dienen der Meinungsbildung. Don Camillo und Peppone sind zwei, die nicht miteinander, aber auch nicht ohneeinander sein können!


Gerold Theobalts Theaterfassung von Giovannino Guareschis Roman "Don Camillo und Peppone" (Mondo piccolo Don Camillo, Mailand, 1948) führt den Spannungsbogen über viele kleine Episoden zu einer ausgewogenen komischdramatischen Handlung, die das Alltagsleben des kleinen Dorfes in all seinen burlesken, aber auch ernsten Facetten zeigt. So will Peppone seinen neugeborenen Sohn auf den Namen "Lenin" taufen lassen, was Don Camillo natürlich entschieden zu weit geht. Erst nach einem Gespräch "nach alter Väter Sitte" ist das Namensproblem dann auf kreative Weise gelöst. Oder es bricht bspw. ein Streit zwischen dem Großgrundbesitzer Pasotti und den Landarbeitern aus, in dem Don Camillo in einen Gewissenskonflikt gerät. Zum einen steht er auf Seiten der Gerechtigkeit und sympathisiert mit den ausgebeuteten Arbeitern, zum anderen kann er als katholischer Priester und auch persönlich ja nicht so ohne weiteres auf Peppones Seite wechseln, zumal Pasotti der einzig „potente Spender" für das neue Kirchendach ist. Daneben kommt die Liebe ebenfalls nicht zu kurz, denn der junge Kommunist Mariolino Bruciata, Peppones rechte Hand, hat ein Verhältnis mit Gina, der Tochter des Großgrundbesitzers Pasotti. Neben dem Klassenunterschied steht den beiden die jahrhundertelange Feindschaft zwischen den Bruciatas und den Pasottis entgegen. So umwehte auch ein Hauch von „Romeo und Julia" den Bad Camberger Amthof! In dem kleinen Dorf tobt also das wahre Leben: Es wird gelacht, gestritten, geliebt, geprügelt, gefeiert und gestorben. Und über allem wacht Jesus, der Herr höchstselbst, der im Handlungsverlauf mit seiner Meinung auch nicht immer hinter'm Berg hält...

Inszenierung

Die Inszenierung von Timo Pfanzer trägt der zugrundeliegenden Ambivalenz des Stoffes Rechnung. Alle sind sie in ideologische, gesellschaftliche oder persönliche Lager gespalten und doch müssen (und wollen) alle miteinander und füreinander leben. Und im Grunde mögen sich auch alle eigentlich, irgendwie.Der einzelne Mensch ist von Natur aus egozentrisch, aber er ist daneben gleichzeitig ein soziales
Lebewesen, das die anderen braucht und ohne sie nicht sein kann. Das ist die erste und grundlegende Ambivalenz, die uns ausmacht und uns allen täglich zu schaffen macht. Dieser Umstand, schon fast als eine Gegensätzlichkeit in unserer Seele zu bezeichnen, wird in „Don Camillo und Peppone" mit breiter Feder dargestellt und führt, gerade weil überzeichnet, zu einer schonungslosen Offenlegung des menschlichen Dilemmas, was wiederum der Quell für die liebenswerte Komik des Stückes ist, aber gleichsam ein Wechselspiel mit dem Ernst vollzieht. Der Zuschauer wird zum Nachdenken gebracht, wie denn die beiden in uns sitzenden Pole ausbalanciert werden können. So können wir den Don Camillo oder den Peppone in uns entdecken lernen.

Die Inszenierung selbst spielt ebenfalls mit der Gegensätzlichkeit: Das Bühnenbild wird stilisiert sein, vielleicht gar als abstrakt verstehbar. Verschiedene Ebenen, Baugerüste, Türme, Leitern, Rampen und Treppen werden den Grund des Spiels bilden. Darauf werden die Schauspieler agieren, aber in Kostüm, Maske und Requisite im historisierenden Rahmen der späten 1940er Jahre verbleibend. So geht es gleichsam mit Musik und Gesang, die demgemäß zwischen Chorälen, italienischen Partisanenliedern, Caruso-Einspielungen oder den Sportfreunden Stiller hin- und herpendeln. Durch dieses Verbleiben in einem naturalistischen Spiel, bei gleichzeitigem Ausgreifen ins abstrakt-moderne, soll die Überzeitlichkeit des Themas zwar einen Ausdruck finden, ohne aber dabei den liebenswerten Stoff zu zerreißen und zu einem "Steinbruch" für eine allzu vom Wesen des Stückes abgehobene Inszenierung werden zu lassen. Lediglich die Folie, vor der die Komödie ersteht, wird erneuert, da das Stück noch heute für sich selbst sprechen kann – in ungebrochener Aktualität.