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23. Bad Camberger Festspiele

Autor: Klaus-Hagen Latwesen
Genre: Abenteuerstück
Regie: Mirco Liefke


Inhalt


Unter dem Motto "Occupy Amthof" besetzte 2012 "Robin Hood", in der modernen Inszenierung von Mirco Liefke, die Linde im Amthofinnenhof von Bad Camberg, um den Reichen zu nehmen und den Armen zu geben. Das 30-köpfige Ensemble erwartete die Zuschauer mit viel Witz, Gesang und dem ein oder anderen Nachdenkenswerten. Fragt man die Menschen, was für sie die Bad Camberger Festspiele ausmacht, so stößt man des öfteren auf die Antworten: „bekannte Gesichter", „tolles Bühnenbild", „klasse Kostüme"; kurzum: „gute Unterhaltung". Dagegen ist nichts einzuwenden. Man fragt sich nur, ob das alles ist, was Theater ausmacht oder was es heute zu leisten im Stande ist. Wenn es so wäre, kann man nur hoffen, dass während unserer Aufführungen keine Robin-Hood-Verfilmung im Fernsehen übertragen wird, denn zweifellos wären die Gesichter, die man dort sieht, bekannter, das Bühnenbild wäre opulenter und die Kostüme paßgenaue Originalnachbildungen mit Echtheitsanschein. Das Theater hingegen ist ein Erlebnis, eine Begegnung körperlich anwesender Menschen mit Geschichte und Geschichten und mit dem Hier und Heute. Niemals können Bühne und Kostüme, Spielart und Handlung darüber hinwegtäuschen, dass offenbar etwas dargestellt wird, das seinem Anschein nicht entspricht - Jannick Heckenhahn ist nicht Robin Hood und wir befinden uns nicht im Sherwood Forest. Wir sind im Jahr 2012 und was die Zuschauer Abend für Abend zu sehen bekamen, ist die Auseinandersetzung unseres Ensembles mit dem Thema „Robin Hood". Zu einer Zeit, da vielerorts ein Umschwung der Gesellschaft gefordert, erhofft oder befürchtet wird, greifen wir die Schlagworte der Occupy-Bewegung auf, die momentan in Frankfurt vor der Europäischen Zentralbank ihre Zelte aufgeschlagen hat und verknüpfen sie mit der Geschichte von Robin Hood. Auch er war ein sozialer Revolutionär, er gab den Armen, was er den Reichen wegnahm. Der Zweck heiligt die Mittel. Oder? Am Ende können sich Robin Hood und seine Getreuen gegen die Herrschenden durchsetzen, doch bleibt nicht doch etwas zurück, wenn die einstigen Aufständischen in die Schuhe der Besiegten schlüpfen? Frisst die Revolution am Ende ihre Kinder? Sollte man einen Tyrannen, der 1000 km entfernt ist, eintauschen gegen 1000 Tyrannen, die 1 km entfernt sind? Was hat der Sheriff von Nottingham mit der Dresdner Bank zu tun und wieso um alles in der Welt trägt Robin Hood eigentlich Strumpfhosen? Fragen über Fragen. Das ist unser Ziel. Fragen aufwerfen. „Aber das macht doch alles keinen Sinn!", wird der ein oder andere sagen. Abgesehen von der Fragen, ob man überhaupt Sinn „machen" kann, würden wir fragen, ob unsere Welt denn Sinn macht? Sind wir nicht vielmehr dazu verdammt, selbst der Welt einen Sinn zu geben? Und sind es nicht die Bretter, die eben diese Welt bedeuten sollen, auf denen Sie einem Stück über Robin Hood begegnen?